Fernweh

Indien und Himalaya
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Ahmedabad

Oktober 08, 2009 Von: djmuh Kategorie: Staedte

Am Montag Abend bin ich fuer 1000 INR mit einem Bus (Sleeper & AC) nach Ahmedabad, der Hauptstadt des Bundesstaates Gurjarat, aufgebrochen. Die ca. 500 km wurden mit drei Pausen in 13 Stunden auf sehr guten Strassen zurueckgelegt. Trotzdem mir bekannt war, dass die Inder die Klimaanlage gerne mal etwas aufdrehen, hatte ich nicht mit 10 Grad gerechnet. Trotz einem extra Paar Socken und Fleeceshirt waere ich fast erfroren. Kombiniert mit der lauten Hindimusik, konnte ich wieder kaum schlafen… 🙁

In den Vororten von Ahmedabad liess der Reiseleiter weitere Fahrgaeste fuer 50 – 100 INR (ich habe nicht genau verstanden, wer wofuer wieviel zahlen musste) zusteigen, achtete aber darauf, dass alle vor der Endstation wieder ausstiegen. Bedenkt man, wieviele Sitzplaetze ein Bus hat und dass wir nur zu acht Leuten von Mumbai aufgebrochen sind, ergibt sich daraus ein huebsches Zubrot. 🙂

Beim Ausstieg aus dem Bus (ich ging als letzter) warteten schon 5 oder 6 Schlepper auf mich. „We want that white man!“… Jeder wollte mir eine Autorikscha mit Hotel andrehen, doch ich hatte mich bereits gedanklich festgelegt. Also stieg ich obwohl der Meute in eine etwas abseits stehende Rikscha und liess mich zu den ausgewaehlten Hotels fahren. Das erste war ausgebucht. Das zweite war geschlossen. Das dritte war nicht auf meiner Liste und gehoerte dem Bruder, Vater, Sohn, Schwager oder Ururgrossvater des Fahrers, und das vierte (wieder auf meiner Liste) nahm ich schliesslich.

Ahmedabad - Mathma Gandhi Road

Ahmedabad - Mathma Gandhi Road

Waren es in Mumbai die schwarzen Ambassadors mit gelben Dach, so sind es in Ahmedabad die gruenen, dreiraedrigen TukTuks bzw. Autorikschas, ebenfalls mit gelbem Dach, die das Strassenbild praegen. Hier ist die Sonne am Himmel klar zu erkennen und haette ich die Munition nicht bereits im Mumbai-Artikel verschossen, wuerde ich sagen, sie brennt nur so herunter. Leider scheinen der Grossteil der Fahrzeuge (Motorraeder / Autorikschas / Roller) Zweitakter zu sein, dementsprechend riecht es auf den Strassen…

Abgesehen von den Schleppern am Busbahnhof ist Ahmedabad verglichen mit Mumbai viel ruhiger, man wird nur von sehr wenige Leute angesprochen, ob man etwaskaufen moechte. An einem Gespraech mit einem Fremden sind hingegen alle interessiert. Besonders bei der Besichtigung verschiedener Moscheen waren die Leute sehr aufgeschlossen und eine durfte ich sogar betreten. „Where are you from?“ „I am from Germany.“ „You are welcome!“ Ich moechte nicht wissen, was passiert waere, haette ich mit „I am from Israel“ geantwortet…

Ahmedabad - Ahmed Shah's Mosque

Ahmedabad - Ahmed Shah's Mosque

Den schoensten Platz, den ich in Ahmedabad finden konnte, war der Garten vor der Ahmed Shah Moschee. Einfach ein paradiesischer Ort in mitten des staubigen und sandfarbenen Ahmedabads. Benannt wurde die Moschee nach Ahmed Shah, dem Gruender der Stadt. Sein ehemaliger Palast wird heute von der Stadtverwaltung genutzt und der ehemalige Glanz ist nur noch zu erahnen. Auch die angeschlossene Festung, das Bhadra Fort, ist nur schlecht erhalten. Wenigstens laesst sich jedoch zusammen mit den ueberall in der Stadt zu sehenden Stadttoren die vergangene militaerische Groesse der Stadt, die im 15. Jhdt. von 12. Stadtmauerringen umgeben war, erkennen. Umso trauriger waere Ahmed Shah, koennte er heute sein Grab betrachten. Das an sich astetische Gebaeude direkt neben der Jama Masjid (Moschee) ist mit anderen Gebaueden regelrecht zugebaut worden, von Motorraedern umstellt und wird an jeder Seite von Ziegen belagert.

Abgesehen von der Ahmed Shah Moschee konnten die anderen Moscheen mich nicht begeistern, auch haben fast alle ihre Minarette durch Erdbebend verloren. Interessant ist maximal noch die Jama Masjid Moschee wegen ihres vorgelagerten grossen, marmornen Innenhofs.

Ahmedabad - Victoria Gardens - King George

Ahmedabad - Victoria Gardens - King George

Auch die zahlreichen Gaerten, angelegt von den britischen Kolonialherren, haben ihren Charme eingebuesst. Die Architektur und die Pflanzen lassen den Betrachter in die Phantasiewelt der Vergangenheit abdriften, wie schoen muessen diese Orte einst gewesen sein… Doch der Unrat und die hunderten Obdachlosen, die selbst am Tage ausser einigen wenigen anderen Touristen und Sicherheitskraeften die einzigen Besucher sind, holen einen schnell in die Gegenwart zurueck. Auch Koenig George, der als Statue noch ueber die Victoria Gardens thront, scheint Traenen in den Augen zu haben.

Ahmedabad - Sabarmati Ashram

Ahmedabad - Sabarmati Ashram

Ein weiteres Highlight der Stadt ist mit Sicherheit aber das Sabarmati Ashram, das einst Hauptquartier des um Unabhaengigkeit bemuehten Mahatma Gandhis war. Das Museum berichtet von Gandhis Leben und Wirken und das Ashram am Westufer des Sabarmati River laedt zum verweilen ein…

Ein paar der schoensten Orte der Stadt, einige Hinditempel, sind verboten zu photographen. Errichtet aus weissen Marmorbloecken, wesentlich kleiner als eine Moschee und reich verziert mit zahlreichen vergoldeten Gottheiten bieten diese Tempel ca. 50 Glaeubigen Platz. Im inneren brennen Weihrauchstaebchen und es findet sich reicher Blumenschmuck sowie zahlreiche Gemaelde…

Ahmedabad - Mathma Gandhi Road - Farbenverkaeuferinnen

Ahmedabad - Mathma Gandhi Road - Farbenverkaeuferinnen

Beim Schlendern durch die Strassen und Gassen kommt man leicht ins Gespraech mit den Einheimischen, auch wenn lange nicht alle Englisch sprechen. Innerhalb weniger Sekunden findet sich ein Passant, der hilfsbereit und ungefragt den Uebersetzer spielt, ohne Geld zu verlangen. Besonders interessant scheinen die Menschen meine weissen Nike-Schuhe zu finden, da ich – wenn ich sie denn mal anhabe – staendig gefragt werde, wo ich sie her habe und wie teuer sie waren.

Fuer die Kinder ist es das Groesste, photographiert zu werden und sich das Photo danach fuer ein paar Sekunden anschauen zu duerfen. Aber auch Erwachsene fragen mich haeufig, ob sie sich nicht zusammen mit mir von einem Freund photographieren lassen duerfen. Interessant, mit wie wenig man Menschen eine Freude machen kann. 🙂

Auch die Tatsache, Deutscher zu sein, scheint auf dieser Seite der Welt einen gewissen Status zu haben. Jeder zweite Inder erklaert mir nach dem obligatorischen „Where are you from?“ „Germany“, dass es das Land seiner Traeume waere. Ich denke, jede Person reizt irgendwann nach einer gewissen Zeit in seinem Heimatland die Ferne – dazu sind bei den meissten Indern mit Sicherheit auch wirtschaftliche Motive am Werk…

Erwaehnt sei noch, dass mich das City Museum sehr enttaeuscht und die Lust auf die Besichtigung anderer Museen verdorben hat… 😉 Auch ist in Gurjarat uebrigens der Ausschank, Verkauf und das Trinken von Alkohol  gesetzlich verboten… Time to go…

Ahmedabad habe ich also als wesentlich ruhiger, angenehmer und entspannender als Mumbai empfunden und kann einen Besuch nur empfehlen. Trotzdem breche ich heute Abend gegen 9 Uhr mit dem Bus (Sleeper, keine AC, 300 INR, 8 Stunden) nach Udaipur in Rajasthan auf…